
Als im Herbst 1813 ein im Verband russischer Streitkräfte kämpfendes baschkirisches Bogenschützen-Regiment gegen Dresden ritt, um die Stadt von der napoleonischen Fremdherrschaft zu befreien, fielen die berittenen Kämpfer den Einheimischen schon damals durch ihre Tracht und archaisch anmutende Bewaffnung auf. In späteren Zeiten wurden zur Erinnerung an die Schlacht bei Dresden, Napoleons letztem Sieg auf deutschem Boden, mehrere Denkmäler errichtet; seit ca. zehn Jahren erinnert ein Gedenkstein auch an die Baschkiren. Etwas über 200 Jahre nach jenem denkwürdigen Ereignis – im Jahr 2016 – waren die Nachfahren der damaligen Recken als Teilnehmer einer russischen MP-Gruppe zu Gast in Dresden diesmal auf der Suche nach Kooperation und Austausch.
Im Spätsommer 2016 begrüßte das Fortbildungszentrum NBL die inzwischen dreißigste russische Teilnehmergruppe des BMWi-Managerfortbildungsprogramms in Dresden. Zwanzig Unternehmer und Führungskräfte stammten überwiegend aus dem zentralen und östlichen – also sibirischen – Teil Russlands und repräsentierten verschiedene Branchen mit einem Schwerpunkt im Maschinen- und Anlagenbau und in der Förderung von Rohstoffen. Entsprechend waren Kooperationen im Bereich Fördertechnik und der Energieproduktion von besonderem Interesse.
Im Verlauf der einmonatigen Fortbildung gehörte der Besuch im Tagebau Welzow-Süd zweifelsohne zu den Höhepunkten. Hier beeindruckte die russischen Branchenkollegen insbesondere die Umsicht und Pragmatik, mit der ein großes Unternehmen in einer solchen Situation verfährt: Die Gewissheit, dass der Tagebau in absehbarer Zeit stillgelegt wird, erfordert besondere Herangehensweisen an die Personalpolitik und die strategische Planung. Hier spielen selbst übergreifende Fragen wie Demographie und Regionalentwicklung täglich eine spürbare Rolle und werden immer mit dem einzelnen Mitarbeiter im Blick realisiert. Überhaupt war das eine der wichtigsten Erkenntnisse der russischen Kollegen: Bei allem Hightech und deutscher Qualität steht der Mensch, der Mitarbeiter, der Kollege immer im Mittelpunkt. Ein für Russland immer noch ganz aktuelles Thema, das im Verlauf des Programms auch in einer Reihe von HR-verwandten Trainings besonders gewichtet wurde.
Es ist erfreulich und besonders zu würdigen, dass die derzeitige politische Wetterlage kaum Auswirkungen auf die Beziehungen und den gegenseitigen Kooperationswillen der deutschen und russischen Unternehmen zu haben scheint. Im Gegenteil: Zu einer Kontaktbörse bei der IHK zu Leipzig waren zahlreiche deutsche Unternehmen erschienen, so dass sich der zeitliche Rahmen dieser Veranstaltung fast schon als zu eng bemessen erwies. Die russischen Unternehmensvertreter haben für ihre individuellen Termine ganz Deutschland bereist. Maxim Katjuschin von der Firma Unicon, einer Projektentwicklungs- und Stahlbaugesellschaft aus Kemerowo mit bemerkenswerten Referenzen, resümiert am Ende seines Aufenthalts: „Zehn deutsche Städte besucht, insgesamt 7.100 Kilometer zurückgelegt und drei Rahmenverträge für kommende Kooperationen in der Tasche – theoretisch bräuchte ich jetzt Urlaub, aber die Kooperationen beginnen ja gerade erst.“
Aksan Yusupov aus der Stadt Salavat in Baschkirien, der sich als Führungskraft eines Serviceunternehmens für Heizungs- und Wasserversorgungstechnik nur noch in der Freizeit mit der militärischen Glorie seiner Vorfahren beschäftigen kann, nimmt am Ende der Fortbildung einen vollen Tornister mit Produktbeispielen innovativer Verbindungsstücke seines neuen deutschen Partnerunternehmens IVT GmbH & Co. KG mit nach Hause. Mithilfe eines Vertriebs dieser einzigartigen Lösungen möchte er sich auf dem Markt seiner Region die Führungsrolle erkämpfen. Ihm tun es die anderen Teilnehmer gleich; damit knüpft diese erneute, freundschaftliche Visite der Baschkiren und anderen Gäste aus Russland nicht nur an alte Geschichten an, sondern festigt bestehende und legt den Grundstein für neue Kooperationen zum beiderseitigen Vorteil. Das MP hat damit zweifellos die alten Schwerter – oder auch Bögen – zu Pflugscharen umschmelzen geholfen.
ARGE Konsortium Neue Bundesländer, Dresden




