
19 Führungskräfte aus chinesischen Kleinbetrieben und mittelständischen Familienunternehmen waren im Mai 2015 zur Managerfortbildung bei der TÜV Rheinland Akademie Köln zu Gast und haben sich unter anderem eingehend mit dem Thema Projektmanagement beschäftigt. Dabei wurden zwischen China und Deutschland einige länderspezifische Besonderheiten deutlich.
Köln. Gemeinhin gelten das Projektziel, die Zeit und die Ressourcen als die drei Hauptelemente eines Projektes. Geschäfte werden jedoch zwischen Menschen gemacht und das englische Sprichwort: „Business is about people!“ gilt auch bzw. insbesondere in Deutschland und China. Daher ist es notwendig, bei internationalen Projekten diese drei Kernbereiche eines Projektes durch eine vierte, alles überlagernde Dimension zu erweitern – der Bereich „ Kultur“. Ohne Berücksichtigung der kulturellen Unterschiede zwischen China und Deutschland ist eine Zusammenarbeit fast schon gescheitert, bevor sie richtig begonnen hat. Gemeinsam mit der Gruppe wurden entsprechend die deutsche und die chinesische Vorgehensweise in Teilbereichen einer Projektarbeit miteinander verglichen und analysiert.
Projektziel
Die Festlegung eines Projektzieles mündet bei Beteiligungen mehrerer Firmen im Idealfall in ein bindendes Vertragswerk und beschreibt die Bearbeitung des Projektes. Für deutsche Unternehmer ist dieser Vertrag die Arbeitsliste und Pflichtenheft, welches es abzuarbeiten gilt. Für die Chinesen ist es jedoch eine erste Grundlage, welche im Laufe des Projektes durch zahlreiche Diskussionen verändert und angepasst wird. Man kann hierbei durchaus von einem „moving target“ sprechen, und es kann etwas entstehen, was auf den ersten Blick nicht in deutsche Projektarbeit passt: „die permanente Veränderung“.
Ein weiterer großer Unterschied ist die Identifizierung der Stakeholder. Chinesen erkennen bzw. wissen um Machtverhältnisse, während deutsche Teammitglieder dieses Wissen erst erarbeiten müssen. Bei einem vergleichsweise flexiblen Projektziel kann eine solche Kenntnislücke zu mehr als nur Verunsicherungen führen.
Während des Trainings waren die MP-Teilnehmer überrascht, welche Entscheidungsmacht jedoch der deutsche Projektmanager hat. Dies liegt keinesfalls an einem grenzenlosen Vertrauen des beauftragenden Boarding Teams, sondern an den genauen Vorgaben und Handlungsbefugnissen, welche – ähnlich wie Leitplanken – das Projekt in allen Dimensionen begrenzen.
Sobald in Deutschland das Projektziel festgelegt wurde, nimmt die interne Kommunikation eine sehr zielorientierte und direkte Form an. Unterstützt durch Charts, Zeit-Wege-Diagramme und Protokolle sind persönliche Präferenzen dem Projektziel untergeordnet. In China ist der Grad an Diskussionen stets hoch und z.B. Protokolle sind eher richtungsweisend für Weiterentwicklungen. Kein chinesischer Partner sollte durch eine Soll-Ist-Abweichung bloßgestellt werden. Entsprechendes gilt bei Fehlern. In China werden diese in Form von Suche nach Alternativen aufgezeigt, ohne irgendeinem Teammitglied direkt zugordnet zu werden. Das bedeutet aber auch, dass deutsche Teilnehmer in einem internationalen Team lernen müssen, Hinweise auf ihre Fehler zu erkennen. Gemeinsam muss hier ein Weg der interkulturellen Kommunikation gefunden werden. Chinesische Führungskräfte empfinden sich in der Projektarbeit in diesem Teilbereich als wesentlich flexibler im Vergleich zu deutschen Geschäftspartnern.
Zeit
Der Faktor Zeit ist weltweit relevant und daher auch für große und kleinere Projekte von großer Bedeutung. Während sich in Deutschland aus dem geschliffenen Projektplan in der Regel der Endtermin ergibt, wird dieser in China sehr viel stärker durch externe oder interne Stakeholder vorgegeben. Grundsätzlich sind kurze Projektlaufzeiten überall ein Ziel. Im chinesischen Wirtschaftsleben werden Zeitverzögerungen durch den Faktor Manpower stark kompensiert.
Ressourcen
Grundsätzlich sind das Projektteam und der Projektmanager wesentliche Erfolgsfaktoren für jedes Projekt. So liegen der Zusammenstellung des Projektteams kulturell geprägt sehr unterschiedliche Vorgehensweisen zu Grunde. In Deutschland wird das Projektteam nach Kompetenzbausteinen besetzt, um ein kleines Team mit hoher Effizienz zu installieren. In der ersten Phase des Projektablaufs lernen sich die Teammitglieder genauer kennen und ein jeder bringt seine Fachkompetenz und Stärken gewinnbringend ein. Hier liegt meist eine gegliederte gleichberechtigte Struktur vor. In China hingegen ist ein Vertrauensverhältnis die Basis einer guten Zusammenarbeit. Daher sind in chinesischen Projektteams die formellen und informellen Bindungen der Mitglieder untereinander entscheidend für die Zusammenstellung. Das gesamte Projektteam unterliegt sehr viel stärker unsichtbaren hierarchischen Strukturen. Mag dies aus deutscher Sicht zunächst als Chaos anmuten, sollte jedoch die erkennbare chinesische Gelassenheit keinesfalls als Gleichgültigkeit interpretiert werden.
Jedes Projekt birgt auch Risiken. Diese können technischer, betriebswirtschaftlicher, personeller oder zeitlicher Art sein. Selbstverständlich sind auch Umwelt-Risiken oder externe Risiken wie Zulieferanten zu benennen. Eine solche Klassifizierung ist jedoch sehr europäisch, wenn nicht sogar sehr deutsch. Diese Risiken werden je nach Größe des Projektes mit mehr oder weniger viel Aufwand analysiert und durch mathematische Methoden bzw. unter Zuhilfenahme von Simulationssoftware bewertet. Zu jedem Zeitpunkt eines Projektes kann zu möglichen Risiken eine Eintrittswahrscheinlichkeit und deren finanzielle Konsequenzen benannt werden. Soweit die deutsche Theorie. Im chinesischen Projektteam ist ein Risk-Manager eher selten vorzufinden. Aus chinesischer Sicht stellt sich die Frage, warum jemand eine Aufgabe übernehmen sollte, bei welcher er – realistisch betrachtet – nur „verlieren“ kann. Entsprechend pragmatisch ist der lösungsorientierte Umgang mit Unwägbarkeiten.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass erfolgreiche chinesische-deutsche Projekte unabhängig von der Größe ein großes Vertrauen voraussetzen und interkulturelle Fähigkeiten auf beiden Seiten benötigen.
10 Empfehlungen für chinesisch-deutsche Projekte:
- Gegenseitiges Vertrauen und Offenheit ist Basis für ein gemeinsames Projekt.
- Alle Beteiligten sollten vor Projektstart wechselseitige interkulturelle Trainings absolvieren.
- Die Projektmitglieder sollten sich bei einem Kick-Off Meeting kennenlernen.
- Eine einheitliche Sprache innerhalb des Projektes ist festzulegen.
- Zwei gleichberechtigte Projektmanager reduzieren den Diskussionsaufwand, erleichtern die Transparenz und verringern die Problematik der Zeitverschiebungen.
- Projektkosten sollten vorab kalkuliert und beiderseitig budgetiert werden.
- Gegenseitiges neugieriges Lernen sollte Basis der Partnerschaft sein.
- Der Umgang mit Kritik sollte kulturübergreifend wie in einem Sport-Team gehalten werden.
- Das Projekt sollte so flexibel wie möglich und so starr wie nötig sein.
- Nur ein „Team“ kann ein Projekt erfolgreich umsetzen.
Von
Thomas Starke




