Biomasse sticht Kohle

Das chinesische Sprichwort „Wer fragt, gewinnt“ hat sich Hans Sanzenbacher zu Herzen genommen, als er im Oktober 2015 die Metal Eco City in Jieyang besuchte. Der Industriepark in der südchinesischen Provinz Guangdong war eine Station, die der Ingenieur im Rahmen des MP „Fit für das Chinageschäft“ besuchte. Sanzenbacher war als Geschäftsführer der Polytechnik Deutschland GmbH unterwegs, um den chinesischen Markt für die Polytechnik Luft- und Feuerungstechnik GmbH zu erschließen. Sein Produkt: umweltfreundliche Energietechnik, die den Chinesen den Absprung von der Kohle erleichtern soll.

Auenwald / Jieyang. Polytechnik bietet Verbrennungsanlagen an, die aus Holzabfällen Energie gewinnen. In Europa werden die nachhaltigen Biomasse-Anlagen bereits von vielen Kommunen, wie von den Stadtwerken in Bielefeld und Oberhausen, zur Erzeugung von Nah- und Fernwärme eingesetzt sowie von namhaften Unternehmen zur Erzeugung von Prozesswärme. In China ist Kohle immer noch die Hauptenergiequelle. Neue Gesetze sollen deren Nutzung einschränken und den Einsatz erneuerbarer Energien fördern. Aber die Realität hinkt noch hinterher. „Die Umsetzung der Pläne hakt. Auch das Bewusstsein dafür ist noch nicht da. Die haben jahrelang auf billige Kohle gesetzt. Ein Umdenken erfordert viel Überzeugungsarbeit“, sagt Sanzenbacher. Und darin ist er richtig gut.

„Als uns in Jieyang das Energiekonzept vorgestellt wurde, dachte ich, das kann doch nicht wahr sein. Die nennen sich „Eco City“, holen aber ihre Energie aus Kohleanlagen“, berichtet er. Der Verfahrenstechniker wittert seine Chance und stellt einer Tochtergesellschaft der Zhong De Metal Group, dem Initiator und Hauptfinanzierer der Metal Eco City, ein Alternativkonzept vor, das auf Holzabfälle setzt. „Erst wurde mir gesagt, man hätte keine Biomasse für so eine Anlage. Auf mein Nachbohren kam dann aber raus, dass etliche Tausend Tonnen im Jahr allein aus dem Straßenbeschnitt anfallen. Die wurden einfach weggeschmissen“, sagt Sanzenbacher. In vielen darauffolgenden Gesprächen und Verhandlungen konnte der Ingenieur mit seinem Konzept zur Umrüstung auf eine Bioenergieanlage von Polytechnik überzeugen, die einen wesentlichen Teil des Wärmebedarfs in der Metal Eco City abdecken soll. Zurzeit wird der Wärmebedarf ermittelt, anschließend werden die Genehmigungsunterlagen eingereicht. 2018 soll die Anlage in Betrieb gehen.

Der Kontakt entwickelte sich so erfolgreich, dass die Polytechnik gleich noch ein weiteres Projekt mit den neuen Partnern gestartet hat: den Aufbau einer Produktionsstätte zur Herstellung von Anlagekomponenten. Das Joint Venture wurde Anfang Oktober 2016 unterzeichnet. Die Produktion soll ab August 2017 in der Eco City an den Start gehen. Biomasse statt Kohle, so könnte es dank des Joint Ventures schon bald in weiteren chinesischen Regionen heißen. Um weitere Aufklärungsarbeit zu leisten, hat sich Sanzenbacher auf einen „Road-Trip“ durch die chinesischen Provinzen begeben. Das Brennverhalten von Kohle, an das das Land gewöhnt sei, sei ein ganz anderes, als das von Biomasse, sagt er. Er müsse vielerorts erklären, wie alternative Verbrennungsanlagen funktionieren und Vertrauen aufbauen. „Wir blicken in Europa auf eine jahrzehntelange Erfahrung mit erneuerbaren Energien zurück, die Polytechnik hat 2015 ihr 50-jähriges Jubiläum gefeiert“, sagt Sanzenbacher.

Sanzenbacher ist nun oft in China. Gerade hat die Polytechnik eine Vertriebsgesellschaft in Xouzhou eröffnet, die er zusammen mit einer weiteren Geschäftsführerin leitet. Es gibt viel zu tun für ihn in nächster Zeit, auch personell. Rund 100 Mitarbeiter sollen in der Vertriebsgesellschaft eingestellt werden, die sich um die Vermarktung der Produkte in ganz China kümmern. Wenn die Produktion läuft, dann geht er von mindestens 300 Mitarbeitern in der neuen Fabrik aus.

„China ist kein Markt für Einsteiger“, sagt der Prozesstechnologe. Man brauche hohe finanzielle und personelle Ressourcen für die Markterschließung. Außerdem sei der Abstimmungsprozess wesentlich zeitaufwändiger. „In Deutschland kommen nach der Kontaktaufnahme bei Interesse sofort konkrete Gespräche, dann ein Plan und dann das Projekt. In China heißt es reden, reden, reden. Erst ganz am Ende kommt das Projekt.“ Trotzdem hat Sanzenbacher es geschafft, in nur einem Jahr nach seiner Programmteilnahme viele Pläne und Projekte anzustoßen. Das Programm habe ihm sehr dabei geholfen, da es einen realistischen Eindruck vom Zielmarkt sowie wertvolle Kontakte vermittelte.

Erschienen in:
Journal – Ausgabe 9 (2016)