25 ägyptische Führungskräfte nahmen an einer von der GIZ, dem Industrial Training Council (ITC) und den Carl Duisberg Centren (CDC) organisierten, einmonatigen Fortbildung teil, die im Frühjahr 2013 in Köln und Berlin stattfand. Die Programmteilnehmerin Ranja Oraby erläutert im Interview ihre Erfahrungen und Erlebnisse in Deutschland.
Was waren Ihre Erwartungen an die Zeit in Deutschland?
Durch die Arbeit hatten wir, die anderen Teilnehmer und ich, auch vorher schon Kontakt mit Deutschen gehabt. Gleichzeitig gab es Fragen, die mir durch den Kopf schwirrten. Zum Beispiel: Was verbarg sich hinter dem unterkühlten Lächeln? War es überhaupt so kühl gemeint oder war das nur meine Interpretation? Waren Deutsche immer so bestimmt in ihrem Auftreten? Und was ist das Erfolgsgeheimnis dieses Landes? Gerade vor dem Hintergrund unserer arabischen Kultur mit ihren Bräuchen und Traditionen sind das spannende Fragen, mit denen ich nach Deutschland aufbrach.
Welche Antworten haben Sie auf Ihre Fragen gefunden?
Ich war sehr erstaunt. Die Menschen in Deutschland erwiesen sich als sehr entgegenkommend und gastfreundlich. Natürlich anders als in Ägypten, eben auf ihre eigene Art und Weise. Vielleicht sind Deutsche nicht so leicht zugänglich wie Ägypter. Das Programm bot eine gute Gelegenheit, tiefergehende Erkenntnisse über das deutsche Profil und die deutsche Kultur zu erwerben. Wir waren überrascht über die Erfolge, die Innovationen und die Fortschrittlichkeit. Aus diesem Grund wollte ich unbedingt am Programm teilnehmen.
Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Programm gemacht?
Zunächst waren die Coachs von den Carl Duisberg Centren sehr hilfreich und im Umgang wunderbar. Dann waren die Info- und Lernmaterialien sorgfältig ausgewählt, so dass meine Kollegen und ich an vielen unserer Führungskompetenzen feilen konnten. Grundsätzlich wurde viel Wert auf den Erwerb interkultureller Werte und Kompetenzen gelegt, die uns den Umgang mit der deutschen Kultur und der deutschen Geschäftswelt erleichtern sollten. Im Rahmen einiger Arbeitstreffen hatte ich Kontakt zu Deutschen, wovon ich ebenfalls profitiert habe. Ich war stolz darauf, professionell zu arbeiten, einen guten Eindruck zu hinterlassen und Ergebnisse zu erzielen, die zuvor unerreichbar gewesen wären und die meine Kollegen und Vorgesetzten in Erstaunen versetzten.
Konnten Sie das Erlernte in Ägypten anwenden?
Ich kehrte mit zahlreichen Ideen undTheorien, aber auch mit schönen Erinnerungen zurück. Es war sehr überraschend, wie gut manche meiner Ideen angenommen wurden, wenn man bedenkt, wie schwierig die Umsetzung ist, gerade bei den Unterschieden vor allem bei den allgemeinen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen. Aber man muss mit Entschlossenheit und mit einem strategischen Plan dranbleiben und die Bedingungen und Umstände schrittweise verändern.
Was haben Sie während der Fortbildung konkret gemacht?
Was mir viel gebracht hat, waren die Besuche bei Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen. Es scheint, dass sie die geheimen Zutaten des Erfolgs gefunden haben und sie diesen durch die Schaffung günstiger Bedingungen erhalten können. Sie nutzen die Kraft ihrer Mitarbeiter, deren Motivation und Ressourcen. Die wichtigsten Aspekte sind eindeutigeRegelungen imArbeitsalltag, gutes Zeitmanagement und das Zugehörigkeitsgefühl der Angestellten im Unternehmen. So konnte ich herauszufinden, wie Familienunternehmen über Generationen hinweg so beständig erfolgreich sein können, unabhängig davon, wie klein und bescheiden sie begonnen haben. Remondis Recycling ist ein gutes Beispiel dafür. Auch ich gehöre einem Familienunternehmen an, das von meinem Großvater gegründet und von meinem Vater, Magdy Oraby, weitergeführt wurde. Ichmöchte das Geschäft voranbringen. Mit der Unterstützung des CDC-Teams, insbesondere meines Dozenten Jörg Kalmbach, konnte ich Geschäftskontakte zu vielen Unternehmen aufbauen. Insgesamt habe ich über zehn Unternehmen besucht, mit denen ich Kooperationen vereinbart habe und die in ihren Fachgebieten deutschland- und europaweit als führend gelten. Unser strategisches Ziel ist die Zusammenarbeit in Form von Joint Ventures. Die derzeitigen Zustände in Ägypten machen es aber sehr schwer, einen solchen Schritt zu wagen.
Wie lautet Ihr Resümee?
Mich haben vor allem Schönheit, Charakter und Architektur der historischen Bauten der deutschen Städte fasziniert, von denen ich viele gesehen und erlebt habe im Rahmen des Programms. Auch dass der Denkmalschutz als so wichtig erachtet wird, hat mich beeindruckt. Insgesamt war die Fortbildung hilfreich und hat mir viel gebracht. Das Programm lieferte Antworten auf die Fragen, die ich seit langemhatte, so dass ich meine persönlichen und praktischen Fertigkeiten weiterentwickeln konnte. Aber noch wichtiger ist der menschliche Aspekt: Ich habe Freunde gewonnen und Städte kennengelernt, in die ich mich verliebt habe. Zum Beispiel Köln!
Vielen Dank für das Gespräch!




