Pandemiebedingte Einschränkungen im Reiseverkehr zwingen Geschäftspartner, für Gespräche zu digitalen Lösungen zu greifen. Auch Verhandlungen verlagern sich immer häufiger in den virtuellen Raum. Thomas Starke, langjähriger Trainer im Managerfortbildungsprogramm, erklärt, worauf es ankommt, um dabei erfolgreich zu sein, und gibt Tipps, wie man dem Gegenüber positiv im Gedächtnis bleibt.
Welche besonderen Herausforderungen bringen Verhandlungsgespräche mit sich, wenn man sie online führt?
Verhandlungen über räumliche Distanzen sind im Grunde nicht neu. Bildtelefone gibt es schon länger und auch Videokonferenzsysteme existieren seit einigen Jahren. Neu ist jetzt, dass die Digitalisierung von Gesprächen durch die Corona-Pandemie verstärkt erfolgt. Das wirft neue Fragen auf. Durch die verschiedenen Zeitzonen verlagern sich Termine womöglich in die extremen Morgen- oder Nachtstunden, was bei schwierigen Verhandlungspunkten kritisch sein kann. Eine besondere Herausforderung liegt zudem in der veränderten Kommunikation aufgrund der genutzten Technik.
Wie gelingt einem das Verhandeln auf Distanz dann am besten? Was gilt es zu beachten?
Grundsätzlich gilt hier, was auch bei persönlichen Treffen gilt: Ich muss vorbereitet sein, meine Ziele und Erwartungen kennen. Ich sollte vorab Marktrecherche betreiben und meinen potenziellen Geschäftspartner und sein Unternehmen so gut wie möglich analysieren. Wichtig ist auch, einen Plan B zu haben und Optionen durchzuspielen. Deutsche Unternehmer bereiten sich auf ein Online-Gespräch immer gut vor und führen es nur dann durch, wenn sie im Vorfeld erkennen, dass sie einen Nutzen davon haben. Daher ist eine eigene Strategie besonders wichtig, denn wenn ich keine habe, folge ich der Idee des Partners. Digital ist es zudem schwieriger, Vertrauen aufzubauen, denn der sonst übliche Smalltalk wird erschwert. Es gibt zum Beispiel keine Abholung, die man zum Plaudern nutzen kann, und auch Gestik und Mimik werden deutlich erschwert. Da Smalltalk aber essenziell ist, kann ich alternativ auch ein taktisches Lob aussprechen. Wichtig ist zudem die Gesprächsführung. Auch digital macht es Sinn, die Kommunikation zu variieren, um Abwechslung ins Gespräch zu bringen, und technische Möglichkeiten wie das Bildschirmteilen zur Veranschaulichung von Sachverhalten zu nutzen.
Technischen Herausforderungen spielen nun eine große Rolle…
Genau. Mit dem Equipment und den verwendeten Tools sollte ich mich auskennen. Das gibt Sicherheit, nicht nur für zu verhandelnde Produkte, die man virtuell schwer darstellen kann. Will ich beispielsweise eine große Maschine vorführen, ist es ratsam, einen Co-Moderator in der Produktionshalle dazuzuschalten. Bei kleineren Produkten kann ich meinem Gesprächspartner vorab ein Warenmuster schicken, um ihn von der Qualität zu überzeugen.
Und wo lauern mögliche Fettnäpfchen?
Bei Videokonferenzen muss man darauf achten, welche Botschaften man über seinen Bildschirm sendet, eventuell auch unbewusst: Habe ich einen Hintergrund, der stark ablenkt oder etwas über unternehmerische Beziehungen zu anderen Lieferanten oder Kunden verrät? Vor einem Gespräch empfiehlt es sich auch, sämtliche nicht benötigte Dateien auf dem PC zu schließen und aus eventuell zu öffnenden Verzeichnissen brisante Dokumente zu verschieben, denn es kann heikel werden, wenn ich beim Bildschirmteilen versehentlich Angebote anderer Firmen sichtbar mache. Man darf zudem nicht vergessen, dass wir beim Online-Austausch eine sehr viel kürzere Konzentrationsphase haben. Nach 90 Minuten ist die Luft raus, da flacht die Konzentrationskurve ab. Darauf muss ich mich einlassen. Den Ablauf eines Termins muss ich vorab anders planen – auch, weil ich online geringere Möglichkeiten des Improvisierens habe. Was ich nicht physisch im Homeoffice habe, kann ich nicht mal eben holen.
Welche Vorteile bietet es, gerade auch in der gegenwärtigen Pandemiezeit, online zu verhandeln?
Digitale Treffen sind aktuell die einzige vielversprechende Option für globale Geschäfte. Sie sparen nicht nur Kosten und Zeit, sondern sind auch flexibel und ortsunabhängig organisierbar. Wir sind derzeit in einer für alle ungewohnten und herausfordernden Situation und gleichzeitig dabei, uns auf die sogenannte neue Normalität vorzubereiten. Das heißt, auch wenn das Reisen und persönliche Begegnungen wieder umfangreich möglich sein werden, wird es eine Vielzahl an digitalen Meetings geben. Alles, was wir jetzt an Erfahrungswerten schaffen, lernen und manifestieren, ist daher keineswegs verlorenes Wissen.
Sie führen im Rahmen des MP auch digitale Seminare zum Thema Online-Verhandeln durch. Welches Feedback bekommen Sie von den Teilnehmern?
Die Teilnehmer vermissen grundsätzlich den Effekt des Deutschlandaufenthalts. Das vierwöchige Präsenzprogramm beinhaltete immer auch einen Freizeitanteil und die ausländischen Unternehmer konnten ihren Kenntnisstand zu Deutschland unter anderem durch Wochenendaktivitäten auf ein höheres Niveau bringen. Nach der Rückkehr in ihre Heimatländer waren sie somit richtige Deutschland-Fachleute. Das fehlt heute natürlich. Das Positive an der derzeitigen Situation ist jedoch, dass Termine mit deutschen Unternehmen kurzfristiger realisierbar sind. Das heißt, die Firmen sind zeitlich flexibler. MP-Teilnehmer sind häufig überrascht, dass es auch in der digitalen Kommunikation eine Agenda gibt, die vorab verschickt wird. Die Gespräche werden von deutscher Seite vergleichsweise konzentriert geführt, es ist also keine lockere Plauderei. Zudem höre ich von den Programmteilnehmern oft, dass sie die zugesagten Informationen von den deutschen Gesprächspartnern sehr zügig erhalten. Das geht sogar schneller als vor der Pandemie, der Workflow ist also schneller geworden.
Online verhandeln heißt derzeit meist, im Homeoffice tätig zu sein. Ist das eine gute Idee oder sollte ich doch lieber ins Büro gehen?
Die pandemiebedingten Rahmenbedingungen zwingen viele Geschäftsleute weltweit zu mehr Homeoffice. Daher ist es wichtig, dass ich auch zu Hause über eine gute Technik und stabile Internetverbindung verfüge. Die Räumlichkeit, in der ich ein Verhandlungsgespräch führe, sollte frei von externen Geräuschquellen sein. Bei einer Videokonferenz ist der Rahmen wichtig. Das heißt, ich sollte mir genau überlegen, was ich von meiner Privatsphäre preisgebe, und mich ebenso kleiden wie für einen reellen Termin im Büro. Die Kameraeinstellung und Beleuchtung sollten so gewählt sein, dass ich vorteilhaft und gut ausgeleuchtet zu sehen bin. Hier sollte ich nicht davor zurückschrecken, eine LED-Videolampe oder ein extra Rollo fürs Fenster zu kaufen. Vor wichtigen Terminen sollte das Setting einmal getestet werden. Ein Termin im Homeoffice kann daneben zu mehr informeller Kommunikation führen und damit die weltberühmte Teeküche abbilden, in welcher in der Regel ein schneller und effektiver Informationsaustausch stattfindet. Ein Homeoffice führt in diese Richtung, wenn ich es geschickt einsetze. Wenn ich bereit bin, etwas von mir preiszugeben und den Geschäftspartner zum Beispiel auch mal virtuell auf dem Balkon treffe, kann das die Persönlichkeit unterstreichen.
Und wo stoßen digitale Verhandlungen an ihre Grenzen?
Wenn wir auf hoher Ebene mit Simultandolmetschern arbeiten, dann wird der technische Aufwand groß. Auch die personenbezogene Vertraulichkeit funktioniert im digitalen Bereich nicht so gut wie im persönlichen Gespräch. Mache ich sensible Angaben zu einem Produkt oder einer technischen Entwicklung, muss ich mich vor unautorisierten Aufnahmen oder Mitschnitten schützen. Des Weiteren ist die Überprüfung von Produktionsbedingungen erschwert und auch die Lieferkette lässt sich digital nicht so gut abbilden. Wenn ich einen Betrieb in Präsenz besuche, kann ich mir ein Bild verschaffen, ob Sozial- und Umweltstandards eingehalten werden – online geht das nicht oder nur bedingt.
Wie nehmen Sie den MP-Teilnehmern die Angst vor digitalen Verhandlungsgesprächen?
Ich versuche immer, die Hemmungen abzubauen. Den Programmteilnehmern muss klar sein, dass die deutschen Partner nicht an ihren Englischkenntnissen interessiert sind, sondern am möglichen Geschäft. Bei Sprachbarrieren lässt sich ein Dolmetscher oder ein fremdsprachiger Kollege einsetzen. Techniker, die miteinander verhandeln, haben hingegen untereinander eine ganz eigene Sprache, da kommt es weniger auf Fremdsprachenkenntnisse an als auf das gemeinsame Selbstverständnis des Fachgebiets. In der analogen Welt galt bisher, dass die höchste Erfolgsquote bei persönlichen Verhandlungen erzielt wurde, an zweiter Stelle standen Gespräche per Telefon und an dritter Stelle Verhandlungen per E-Mail. Jetzt haben wir verschiedene Videokonferenztools, bei denen es dabei geht, Persönliches und technische Features miteinander zu verbinden. Wir haben ein prima Werkzeug, mit dem man spielen kann. Wenn ich mich digital sicher fühle, kann ich meine Geschäftsziele gut erreichen. Weltweit gilt: Kontakt schafft Sympathie. Je häufiger uns jemand sieht, desto besser ist der Draht zueinander. Daher empfehle ich jedem, auch soziale Netzwerke zu nutzen, um den deutschen Geschäftspartner anzusprechen. So kommt man in den Dialog und schafft eine gemeinsame Ebene. Als Backup sollte ich ein Telefon bereit haben, damit ich bei Netzunterbrechungen schnell reagieren kann.
Wie kann ich dafür sorgen, dass ich meinem Gesprächspartner nachhaltig im Gedächtnis bleibe?
Wie in der analogen gilt auch in der digitalen Kommunikation: Für mein Gegenüber muss das Gespräch „merkwürdig“ sein, das heißt, ich muss den limbischen Anker setzen und besonders hervorstechen. Wer zahlreiche Gespräche in der Woche führt, erinnert sich eher an ein besonders gutes, auch witziges Gespräch. Humor ist auch eine Möglichkeit, um die dafür notwendige persönliche Ebene aufzubauen. Deutsche blenden Humor anfangs aus und sind eher formell. Gehen Sie daher mit leichtem Humor heran. Darüber hinaus kann ich in einen Termin auch bewusst Zeit für einen persönlichen Austausch einbauen. Es bietet sich beispielsweise ein gemeinsames digitales Frühstück vor dem eigentlichen Verhandlungstermin an – das schafft Emotionalität, Nähe und somit Vertrauen. Wenn ein Gespräch in den Morgenstunden deutscher Zeit stattfindet, können Sie davon ausgehen, dass Ihre Geschäftspartner wacher und ausgeschlafener sind als am späten Nachmittag. Ich empfehle jedem, möglichst großzügig zu terminieren. Setzen Sie das Meeting also nicht für 60 Minuten, sondern zwei Stunden an. Wenn man dann früher fertig ist, schenkt man dem Verhandlungspartner eine ganze Stunde – wunderbar. Besonders nachhaltig bleibe ich meinem Gesprächspartner natürlich in Erinnerung, wenn mein Produkt bzw. die Dienstleistung – wie in der analogen Welt – einzigartige Merkmale aufweist.
Vielen Dank für das Gespräch.
Über den Interviewpartner
Thomas Starke hat sich, basierend auf seiner globalen Erfahrung in den Bereichen Vertrieb, Marketing, Messe und Export, 2008 mit Concept and Sales als Business-Berater selbständig gemacht. Er unterstützt KMU im In- und Ausland in ihrer Expansionsstrategie. Neben globalen Lehraufträgen ist er seit 2011 als Trainer und Tutor für zahlreiche Fortbildungszentren im Rahmen des MP tätig.
Fotos: © Concept and Sales




