
Energieeffizienz ist ein hochaktuelles Thema in den Ländern Zentralasiens. So stand ein Workshop zu diesem Thema ganz oben auf der Wunschliste der zentralasiatischen Absolventen des BMWi-Fortbildungsprogrammes. Er fand in Tashkent, der Hauptstadt Usbekistans, statt. Insbesondere das Europäische EUREM-Trainingsprogramm stieß dabei auf lebhaftes Interesse der Führungskräfte.
Taschkent. „Wenn es pfeift und zischt, ist dies ein untrügliches Zeichen dafür, dass im Druckluftsystem durch Leckagen wertvolle Energie verloren geht und energetischer Optimierungsbedarf besteht“. „Ja, Druckluft ist ein sauberer und sicherer Energieträger!“ „Nein: Elektrisch angetriebene Maschinen sind billiger.“ Es wurde heftig und kontrovers diskutiert während des Workshops „Energieeffiziente Technologien in der Industrie“. Die Teilnehmer – MP-Alumni und fachkundige Führungskräfte aus Industriebetrieben, aber auch Hochschulen und Handelsorganisationen – kamen aus Kasachstan, Usbekistan, Kirgisistan und Turkmenistan. Dabei lernten sie nicht nur, wie Energieaudits gemäß ISO 50001 durchzuführen sind und wie ein effizientes Energiemanagement aufgebaut werden kann, sondern auch darüber, auf welche Komponenten es bei verschiedenen Querschnittstechnologien in industriellen Anwendungen ankommt: Welche sind die „Energiefresser“ in Druckluftsystemen, Beleuchtungsanlagen, Klimatisierungsanlagen und wann ist der Einsatz von Wärmerückgewinnungsanlagen sinnvoll?
Dabei wurde deutlich, dass es innerhalb der zentralasiatischen Staaten viele Unterschiede in Bezug auf Wissensstand und Erfahrung bei der Umsetzung energieeffizienzsteigernder Maßnahmen gibt. Die Energieintensität in der Industrie ist in diesen Ländern hoch. Viele zentralasiatische Staaten verfügen über große Ressourcen traditioneller Energieträger (Erdöl und Gas in Kasachstan, Turkmenistan und Usbekistan, Steinkohle in Usbekistan und Kasachstan). Gleichzeitig bestehen gute Bedingungen für die Nutzung alternativer Energiequellen – Wasserkraft in Kirgisistan und Photovoltaik (mit bis zu 3000 Sonnenstunden pro Jahr) und Windkraft in ganz Zentralasien. Doch so unterschiedlich die natürlichen Ressourcen und der Entwicklungsstand in den einzelnen Ländern sind, so unterschiedlich sind auch die Gesetze und Vorschriften zur Durchführung von Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz. Vorreiter in der Region ist Kasachstan: Seit 2012 gibt es das Gesetz „Über Energieeinsparung und die Verbesserung der Energieeffizienz“ und seit August 2013 das Programm „Energieeinsparung 2020“. Ein Regierungsbeschluss vom 31.08.2012 regelt das Vorgehen bei der Organisation und Durchführung von Energieaudits, gibt dafür jedoch keine klare Methode vor. Die Einführung eines Energiemanagements gemäß ISO 15001 ist verpflichtend für Unternehmen mit einem Jahresenergieverbrauch über 1500 t Steinkohleeinheiten.
Im benachbarten Usbekistan hingegen existiert zwar seit 1997 ein Gesetz zur rationellen Energieverwendung und seit 2001 ein Nationaler Energieeffizienzplan. Usbekistan ist das bevölkerungsreichste Land Zentralasiens und der größte Energiekonsument der Region. Gesetzliche Verpflichtungen zur Energieeinsparung fehlen jedoch bisher. Allerdings ist die usbekische Regierung daran interessiert, die inländische Energieeffizienz zu erhöhen, um den Exportanteil für Erdgas zu steigern. UNDP und die Weltbank entwickeln derzeit im Auftrag der usbekischen Regierung die Strategie „Vision 2030“, ein Transformationskonzept für die usbekische Wirtschaft im Sinne nachhaltigen Wirtschaftens und nachhaltigen Wachstums.
Zudem sind die infrastrukturellen Ausgangsbedingungen der einzelnen Länder sehr unterschiedlich. In einigen ländlichen Regionen Usbekistans – dem Gastgeber der Konferenz – gibt es z.B. viele kleine und mittlere Textilfabriken, deren Manager gern auf moderne Technologien umrüsten würden. Aufgrund des schlechten Zustands der Stromverteilungs- und Stromversorgungsinfrastruktur sind Stromausfälle nicht selten, und in diesen Regionen existiert oft auch keine Erdgasversorgung.
Investitionsentscheidungen werden deshalb anhand mehrerer Kriterien getroffen. Die Konzentration auf das in Deutschland wichtigste Kriterium Return of Investment (ROI) für die Umsetzungsentscheidung von Energieeffizienzprojekten greift in dieser Region zu kurz. Weder in Kasachstan noch in Usbekistan gibt es bspw. eine „Spitzensteuerregelung“, d.h. durch schnelle Steuerersparnis wird sich dort keine Investition amortisieren. Zudem ist der gesetzlich regulierte Stromtarif nach wie vor niedrig, um keine sozialen Unruhen im Rahmen der Transformation hervorzurufen. Einsparungen im Stromverbrauch amortisieren sich deshalb nur innerhalb längerer Zeiträume. Das Fehlen von Investitionsanreizen ist eine der wichsten Ursachen dafür, dass konkrete Investitionsprojekte bisher – wenn überhaupt – nur über EU- oder andere Förderprogramme umgesetzt werden. Eine weitere ist das Fehlen von Spezialisten für die neuen Technologien vor Ort.
EUREM-Trainingsprogramm
Besonderes Interesse bei den zentralasiatischen Führungskräften weckte das im Workshop vorgestellte europäische EUREM-Trainingsprogramm, das zwischenzeitlich in 30 Ländern durchgeführt und in Deutschland von ausgewählten IHK angeboten wird. In 160 Trainingseinheiten über neun Monate werden technische und kaufmännische Themen rund um energieeffiziente Technologien, die Durchführung von Energieaudits und den Aufbau eines effizienten betrieblichen Energiemanagements vermittelt. Eine Projektarbeit im Unternehmen des Teilnehmers weist das anwendungsbereite Wissen des Teilnehmers nach.
Sehr schnell wurde deutlich: „Eine solche Weiterbildungsinitiative, die künftigen Energiemanagern in Unternehmen, aber auch Energieberatern das nötige technische, wirtschaftliche und fachliche Rüstzeug verschafft, wollen wir auch haben, und wir möchten die Finanzierung über die KfW beantragen.“ „Und wir möchten mehr darüber wissen, wie qualitativ hochwertig Energieaudits durchgeführt werden.“
Im Rahmen des Workshops stellte der kasachische Wissenschaftler Georgij Nikonov von „GN Energy“ eine in Kasachstan entwickelte, patentierte Technologie zur zerstörungsfreien Temperaturmessung während des Schmelzprozesses z.B. in Hochöfen und Gießereien. Diese ermöglicht, den gesamten Schmelzprozess ohne Produktionsunterbrechungen besser zu steuern und zu überwachen. Solche Technologien werden beispielsweise eingesetzt, um die Wandstärke der Verschleißfutter in Hoch- und Schmelzöfen so gering wie möglich zu halten, was den für die Schmelze benötigten Energieaufwand erheblich verringert. Für die technische Umsetzung des kasachischen Patents sucht GN Energy noch Investoren.
Im Workshop wurde auch deutlich: Das hohe Interesse am Thema Energieeffizienz resultierte auch daraus, dass viele Teilnehmer planen, selbst als Energieberater und Energiemanager tätig zu werden.
Von
Kathrin Kehrer-Billhardt, unabhängige Beraterin für Energiewirtschaft und Energieeffizienz und Absolventin des Programms „Fit für das Russlandgeschäft“ 2008




