Was sind die Merkmale von volatilen Märkten? Welche Herausforderungen haben volatile Märkte für die Geschäftsentwicklung? Welche Handlungsstrategien sind erfolgreich im Umgang mit volatilen Märkten? Diese und weitere Fragen zum Thema Business Development diskutierten 15 indische Unternehmer und Führungskräfte auf dem Follow-Up in Delhi.
Delhi. Volatile Märkte weisen ein hohes Maß an Unsicherheiten auf. Stark schwankende Preise und Wechselkurse sind nur ein Beispiel dafür. Abhängig von den lokalen Märkten können sie sehr unterschiedliche Ausprägungen annehmen. Einen starken Hebel haben dabei Aktienmärkte, deren Schwankungen sich oft direkt auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Landes auswirken. Je größer die Volatilität eines Marktes, desto risikoreicher ist es, dort Geschäfte zu tätigen. Einhergehend mit der letzten Finanzkrise und den starken Schwankungen der Wechselkurse hat sich gezeigt, dass insbesondere die aufstrebenden Märkte (Emerging Markets) sehr volatil sind. Diese turbulenten Märkte ähneln einem Boxkampf: Erfolgreich ist derjenige Boxer, der unerwartete Nackenschläge aus unterschiedlichen Richtungen einstecken und möglichen „Knock-Outs“ erfolgreich ausweichen kann.
Welche Faktoren beeinflussen nun den volatilen Markt „Indien“? Niemand könne sagen, wie Indien in Zukunft wachsen wird, so Ajay Bondwal. Es gebe sehr viele volatile Faktoren wie Politik, Handelsbarrieren, Korruption, wirtschaftliche und soziale Rahmenbedingungen. Gautam Malhotra berichtete, dass in Indien 60 Prozent des Bruttoinlandproduktes aus der Landwirtschaft stammen. Damit hängt die wirtschaftliche Jahresentwicklung maßgeblich vom Monsun ab. Gibt es genug Regen und die Ernte entwickelt sich gut, ist auch die wirtschaftliche Entwicklung hoch. Gibt es einen schlechten Monsun und der Agrarsektor bekommt Probleme, so ist auch die Wirtschafsleistung niedrig. Oder anders gesagt: Good monsun = good farming = good business. Damit ist das Wetter ein weiterer volatiler Faktor für den indischen Markt. Sarabdeep Singh Sikka merkte an, dass 60 Prozent der Bevölkerung jünger als 35 Jahre sind. Diese jungen Menschen strebten nach Wohlstand, seien sehr flexibel und passten sich den sich ändernden Rahmenbedingungen sehr schnell an – für ihn ein wichtiger Punkt für den erfolgreichen Umgang mit volatilen Faktoren.
Kompetenzen im Umgang mit volatilen Märkten
Die oben genannten Merkmale volatiler Märkte stellen Manager vor die Herausforderung, unterschiedliche Markt- und Länderfaktoren zu erfassen, zu analysieren und Handlungsstrategien zu entwickeln. Um Führungskräfte beim Management komplexer Herausforderungen zu unterstützen, hat die Export-Akademie gemeinsam mit Industriepartnern das Managementkonzept IMLead® Integriertes Management & Leadership entwickelt.

Das Konzept (Abb. 1) besteht aus sieben Feldern, in dessen Mittelpunkt der Manager (Feld 1) steht. Um die wirkungsvollsten Handlungsstrategien in volatilen Märkten zu konzipieren, ist dieser gefordert, Mitarbeiter und Kunden zu steuern (Feld 2: Der Mensch) sowie Unternehmensinformationen und Marktinformationen in volatilen Märkten zu sammeln und auszuwerten (Feld 3: Die Information). Basierend auf den Informationen und der strategischen Ausrichtung des Unternehmens trifft er Entscheidungen über Produktanpassungen, neue Produkte, neue Dienstleistungen sowie den Einstieg in neue Marktsegmente (Feld 4: Die Zukunftssicherung). Eine Optimierung von Herstellungs- und Geschäftsprozessen sowie der Supply Chain erfolgt in Feld 5: Die Optimale Funktionsfähigkeit.
Um in volatilen Märkten erfolgreich zu agieren, sind insbesondere die beiden Aspekte Flexibilität (Feld 6) und die Gesamtheitsbetrachtung (Feld 7) wichtig. Dies bestätigt auch das Ergebnis einer Punktabfrage unter den Workshop-Teilnehmern, in der die beiden Felder die meisten Nennungen bekamen.
Handlungsstrategien im Umgang mit volatilen Märkten
„Keine Panik – Ruhe bewahren“ – so lautet die wichtigste Basis für mögliche Handlungsstrategien auf volatilen Märkten aus Sicht der indischen Manager. Um langfristig erfolgreich zu sein, ist es aus deren Sicht notwendig, ein „Gespür“ dafür zu haben, wie sich die Märkte entwickeln. Die laufende Marktbeobachtung schafft zudem die Voraussetzungen, um flexible, individuelle und „wirkungsvolle“ Handlungsstrategien zu entwickeln.

Die Gesamtheitsbetrachtung ist notwendig, um Potentiale zu nutzen, die auf den ersten Blick nicht erkennbar sind (siehe Eisbergprinzip, Abb. 2). In der Praxis wird auf volatile Marktänderungen oft mit der Anpassung des Verkaufspreises reagiert und damit Gewinnmarge reduziert. Um dieses zu vermeiden, sollte man vor einer Preisreduzierung zuerst alle Unternehmensbereiche und -prozesse auf Kosteneinsparungen und versteckte Leistungspotentiale untersuchen (siehe Abb. 2: „versteckte Möglichkeiten“). Folgende Handlungsstrategien sind im Workshop entstanden:
• Kosteneinsparungspotentiale nutzen: Durch günstigeren Einkauf von Teilen (Global Sourcing), Optimierungen in der Produktion und in Geschäftsprozessen sowie Änderungen in der Supply Chain kann man Kosten reduzieren, ohne dass bei einer Preisreduzierung die Gewinnmarge geschmälert wird. Dieses ist insbesondere dann möglich, wenn mit den Geschäftspartnern langfristige Geschäftsbeziehungen bestehen (Stichwort: Strategisches Zuliefermanagement).
• Strategisches Zuliefermanagement: Partnerschaftliche und langfristige Zusammenarbeit mit indischen Geschäftspartnern ist eine gute Voraussetzung, diesen volatilen Markt erfolgreich zu bedienen. Gemeinsam können Kosteneinsparungen identifiziert und weitere Dienstleistungen am Markt positioniert werden. Reduziert man den Innovationsgrad, entsprechen die Produkte darüber hinaus besser lokalen Marktbedürfnissen.
• Zahlungsbedingungen anpassen: Bei wechselhafter Wirtschaftslage können Zahlungsbedingungen verhandelt und angepasst werden. Geschäftspartner sind oft bereit, Zahlungsfristen zu verlängern oder Kredite zu gewähren, um temporäre Schwankungen in den Märkten zu überbrücken.
• Investieren: In Rezessionsphasen oder bei sinkenden Wechselkursen besteht die Möglichkeit, günstig Maschinen zu kaufen. Viele Hersteller sind dann bereit, über Preisnachlässe zu verhandeln. So konnte Amit Patil die Situation und den schwachen Wechselkurs der indischen Rupie zum Euro im letzten Jahr nutzen und Maschinen mit einem Preisabschlag von 35 Prozent einkaufen, um so seine Produktion zu modernisieren.
• Diversifikation: Eine weitere Option besteht in der Erschließung neuer Märkte und Segmente. Im Workshop verwiesen die indischen Manager darauf, dass sie den indischen Markt sowie die angrenzenden volatilen Märkte sehr gut kennen. Daher könnten sie deutsche Unternehmen erfolgreich dabei unterstützen, weitere Märkte und Marktsegmente zu entwickeln.
Indische Geschäftsleute haben in den letzten 50 Jahren umfangreiche Erfahrungen im Umgang mit dem volatilen indischen Markt gesammelt. Für sie ist flexibles Denken und Handeln eine wichtige Kernkompetenz im Umgang mit volatilen Faktoren. Im Gegensatz dazu sind Planung und langfristiges Handeln bei indischen Managern nicht so stark ausgeprägt wie bei deutschen Managern. „Aufgrund der fehlenden Flexibilität ist es für deutsche Manager schwieriger, volatile Märkte zu bearbeiten“, ist Amrithakasi Parthasarathi überzeugt. Indische Manager kennen hingegen ihren Markt sehr gut und können ihre deutschen Kollegen mit den langjährigen Erfahrungen bei der Erschließung anderer volatiler Märkte wie zum Beispiel Afrika oder Südamerika unterstützen.
Von Kooperationen zwischen deutschen und indischen Unternehmen profitieren beide Seiten. Die indischen Unternehmen bringen ihre Erfahrung im Umgang mit volatilen Märkten in die Partnerschaft mit ein. Die deutschen Unternehmen wiederum können ihre innovativen und hochwertigen Produkte und Dienstleistungen erfolgreicher in Indien und weiteren volatilen Märkten verkaufen.
Dr. Bertram Lohmüller
Dr. Bertram Lohmüller ist Direktor des Steinbeis Global Institute der Steinbeis-Hochschule Berlin und CEO der Export-Akademie Baden-Württemberg. Er ist Professor für Innovationsmanagement und Leadership und hat zu diesem Thema an der Cranfield School of Management (UK) promoviert.
Kontakt: bertram.lohmueller@steinbeis-git.org




