Automobilindustrie im Umbruch

Bei einem Besuch des Ford Industrial Supplier Park in Saarlouis informierten sich mexikanische Unternehmer über Supply Chain Management und die optimale Logistik am Standort eines Autobauers in Deutschland.

Von den Umwälzungen in der deutschen Automobilindustrie, die die Diskussion um Diesel-Fahrverbote und Investitionen in alternative Antriebe mit sich bringen, sind auch die Zulieferer der Branche betroffen. Zu dieser Gruppe gehört die Mehrzahl der Unternehmen der MP-Teilnehmer aus Mexiko, die im September den Ford Industrial Supplier Park in Saarlouis besuchten. Unter den zahlreichen dort angesiedelten Zulieferern ist auch der Autositzhersteller Adient. Aus seiner erfolgreichen Zusammenarbeit mit Ford konnte die mexikanische Gruppe wichtige Punkte für die Kooperation mit Autobauern in Deutschland ableiten.

Adient liefert als einer der weltweit größten Zulieferer in seinem Bereich an nahezu alle Automobilmarken und versorgt am Standort das Ford-Werk. Von der Bestellung bis zum Einbau im Fahrzeug bei Ford vergehen gerade einmal 90 Minuten. Ermöglicht wird diese kurze Lieferzeit durch die geringe Entfernung zwischen beiden Unternehmen, die nur einige hundert Meter Luftlinie beträgt und in wenigen Minuten per LKW zurückgelegt werden kann. Ebenso essentiell ist eine exakte Abstimmung in vielen operativen Bereichen, wie etwa einem angeglichenen Schichtsystem.

Roman Lauer von Ford erläuterte aktuelle Herausforderungen in der Automobilindustrie.

Herzstück und weiterer Erfolgsfaktor des Supplier-Parks ist die Elektrohängebahn „Conveyer“, das parkeigene Transportsystem, das eine direkte und vollautomatische Beförderung von den meisten Zulieferern zum Ford-Werk ermöglicht. Gemeinsam mit dem 2016 in Betrieb genommenen automatischen Kleinteilelager werden durch optimale Logistik der Zulieferindustrie Produktionskosten gesenkt. Konkret heißt das: Just-in-Time- und Just-in-Sequence- Produktion. Bei der Fließbandproduktion werden die richtigen Teile zum exakt richtigen Zeitpunkt für die verschiedenen Fahrzeugvarianten zugeliefert. Dies ist nur durch eine genaue Abstimmung im Tagesablauf zwischen den Zulieferern und Ford möglich. So stimmen zum Beispiel die Pausenzeiten der Mitarbeiter im Ford-Werk mit denen der im Supplier Park angesiedelten Lieferanten überein. Aber auch Qualitätsmanagement, Ablauf der Produktionsprozesse und Personalmanagement sind eng koordiniert.

Im Ford-Werk Saarlouis laufen täglich 1.200 Fahrzeuge vom Band, von denen 70 Prozent im Ausland und 30 Prozent in Deutschland ausgeliefert werden. Eine Werkstour gewährte den mexikanischen Gästen einen Einblick in alle Produktionsschritte. „Auch bei Schichtwechsel steht das Band nicht still. Es läuft es weiter und alle 34 Sekunden wird ein neues Fahrzeug fertiggestellt“, erklärte Werksführer Christian Klein. Auf die Sekunde genau kommen die Autositze von Adient am Band an, bei dem Modell, für das sie vor 90 Minuten bestellt wurden. Der hohe, stetig steigende Automatisierungsgrad sorgte unter den mexikanischen Führungskräften ebenso für eine angeregte Diskussion wie das neue automatisierte Boron-Presswerk, das Bauteile aus einer speziellen Stahllegierung im Warmumformverfahren herstellt. „Diese Teile sind leichter und gleichzeitig belastbarer als die üblichen kaltumgeformten Bauteile. Hier können wir noch etwas lernen“ bemerkte Daniel de la Serna interessiert. Er stellt in Mexiko selbst Metallteile für die Automobilindustrie her.

Hautnah erlebten die Teilnehmer den Autobau. Hier vor Karosserien des Modells Ford Focus im Ford-Werk Saarlouis.

Die Gäste aus Mexiko erfuhren daneben auch etwas über das duale Ausbildungssystem bei Ford, die Betreuung der Azubis im Werk sowie die unterstützende Infrastruktur. Das Werk verbraucht so viel Energie wie eine mittelgroße Stadt mit etwa 40.000 Einwohnern und verfügt über eine eigene Wasseraufbereitung und Feuerwehr. Eigene Blockheizkraftwerke versorgen das Werk mit umweltfreundlichem Strom und Heizenergie. Der Unternehmensbesuch schloss mit einer lebhaften Diskussion mit dem Leiter des Standorts für Material Planning and Logistics, Roman Lauer, sowie Bernd Kuhn, Abteilungsleiter Production Planning und Vehicle Delivery, zu strategischen Herausforderungen bei Ford und der Entwicklung der Automobilindustrie in Deutschland. „Wo sehen Sie die deutsche Automobilindustrie in fünf Jahren?“, fragte MP-Teilnehmer Frédéric Bron, und griff damit das viel diskutierte Thema der Marktveränderungen in Europa aus dem Seminar „Writing a Business Plan“ auf. Roman Lauer brachte im Gespräch mit den Teilnehmern seine Impulse aus der Praxis sowie eine globale Sichtweise ein und schloss mit einem für die Teilnehmenden positiven Ausblick: „Weltweit steigen die Absatzzahlen für Fahrzeuge weiterhin stetig. Afrika, China und Südamerika sind dabei Märkte mit großem Potenzial.“

Fotos: © ZEW